19. Lexikographische Kommentare zu Eigenschaften des Wortes
19.1. Verwendung des Begriffs und Typen
Der Terminus lexikographischer Kommentar, zu lesen als Kommentar des Lexikographen, kann in unterschiedlich weitem Sinne verwendet werden.
19.1.1. Man könnte ihn einerseits definieren als ‚Gesamtheit aller Aussagen, Erläuterungen, Hinweise, Beispiele, Literaturangaben, die der Lexikograph vornimmt, um einem antizipierten Benutzer die Verwendungsweise eines Wortes zu erläutern‘. Diese weite Auffassung des Begriffs wäre dadurch zu rechtfertigen, daß die Tätigkeit des Lexikographen in der Tat weniger darin besteht, diskret Vorgegebenes benutzerunabhängig abzubilden, als darin, einem unterstellten Benutzer unter Beachtung von dessen bereits vorhandenem Teilverständnis eine in jeder Verwendung variierende, also soziale Gegebenheit gleichsam kommentierend begreiflich zu machen bzw. begreiflicher zu machen, als sie es vorher war, und zwar dadurch, daß man auswählt, Beispiele anführt, Gewichtungen setzt usw.
Wenn hier trotzdem eine andere, nämlich äußerst enge Auffassung des Begriffs zugrundegelegt wird, so hat dies zwei Gründe. Zunächst ist der weite Begriff operational nicht sinnvoll handhabbar, es sei denn, man würde ihn gleichsam als Überschrift über die gesamte Kapitelfolge von 8. bis 20. setzen; außerdem gibt es trotz des prinzipiellen Kommentarcharakters jeder Aussage des Lexikographen eine stufenlose Skala der Unbestreitbarkeit des Ausgesagten in dem Sinne, daß bestimmte Aussagen – relativ gesehen – unbestreitbarer sind als andere. So ist z. B. die flexionsmorphologische Aussage, nach der das Genitivsuffix zu abend die Form -(e)s hat, kaum zu bestreiten; die Gliederung des semasiologischen Feldes von abenteuer in 17 Bedeutungspositionen dagegen hat bisher noch immer Anlaß zu kritischen Rückfragen gegeben.
Mit dem Blick auf diese Situation soll der lexikographische Kommentar hier bestimmt werden als derjenige Teil eines Wörterbuchartikels, in dem der Lexikograph
(1) Gewichtungen und Hinweise auf dasjenige vornimmt, was er als besonders relevant erachtet, und/oder in dem er
(2) bewußt signalisiert, daß das zunächst als faktisch Hingestellte das Ergebnis eines Urteils ist, das – obwohl begründet – mit anderen Gründen auch anders hätte ausfallen können,
(3) und/oder – und dies ist ein argumentativ bisher nicht vorbereitetes Motiv – in dem er dem Wörterbuchbenutzer zusätzlich zu demjenigen, was er als faktisch gegeben hinstellt, Verständnishilfen aus seinem größeren semantischen Wissen, darunter auch simple Belehrung gibt, so wie ein Nachrichtenkommentator vorgegebene Fakten dadurch verständlich(er) macht, daß er Zusatzinformationen aus seinem politischen Wissensvorrat zu ihnen bringt.
In der Formulierungspraxis verbinden sich alle drei Kommentarmotive oft zu einer kaum auflösbaren Einheit, wie der Kommentar auch zu anderen Aussagetypen des Wörterbuchartikels in einem vielfach offenen Übergangsverhältnis steht.
19.1.2. Lexikographische Kommentare sind nach dem soeben Gesagten prinzipiell zu jeder Position eines Wörterbuchartikels möglich; sie umfassen also:
(1) Kommentare zum Lemma,
(2) Kommentare zu Wortvarianten,
(3) Kommentare zur Wortart und zur Flexionsmorphologie, in letzterem Falle flexionsmorphologische Kommentare genannt,
(4) etymologische Kommentare,
(5) semantische Kommentare,
(6) Kommentare zu den Symptomwertangaben,
(7) syntaktische Kommentare,
(8) Wortbildungskommentare,
(9) Belegkommentare,
(10) Häufigkeitskommentare,
(11) Kommentare zur Literatur.
Die einzelnen Subtypen des Kommentars haben schon deshalb keine gleichmäßige Verteilung, weil ihr eigentlicher lexikographischer Ort die mehr interpretativen Positionen des Wörterbuchartikels sind; die Typen (5) und (9) stehen deshalb quantitativ und qualitativ im Mittelpunkt. Als entscheidend kommt hinzu, daß das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch ein Bedeutungswörterbuch ist und daß der semantische Kommentar und der Belegkommentar vor allem aus diesem Grunde eine besondere Rolle spielen. Umgekehrt ergibt sich dann folgendes Bild: Die Kommentartypen (1) bis (4), (6) bis (8), (10) und (11) begegnen relativ selten; de facto erscheinen (1), (2), (4), (8) und (11) in der Experimentierstrecke a – abzwingen noch überhaupt nicht, (3) und (6) nur ansatzweise, man vgl. als Beispiel für (3):
abendstern, der; -/auch -Ø.
Zum Verständnis des Kommentars auch vgl. 10.2.1. Ein Beispiel für (6) ist:
abgehen [...]. Im allg. sind keine Bindungen der einzelnen Bedeutungen an bestimmte Räume und Teilepochen nachweisbar.
(Zum Verständnis: Kommentare dieses (hier negativen) Typs finden ihre Begründung in der hier nicht weiter erläuterten Hypothese des Bearbeiters, daß eine Sprache ohne anerkannte Leitvarietät zu vergleichsweise hochgradiger Polysemie neigt, die varietätenspezifisch durch die pragmatischen Gültigkeitsdimensionen reduziert werden kann. Das Wechselspiel von semantischer Ausdifferenzierung infolge der Horizontalität des Varietätenspektrums einerseits und Polysemiereduktion durch hochsprachliche Steuerung andererseits sieht für das Frühneuhochdeutsche völlig anders aus als für die Zeit nach dem 18. Jahrhundert. Zu seiner Erkenntnis sollte das Wörterbuch durch kommentierende Hinweise auf die Pragmatik beitragen). – Typ (7) begegnet mit einiger Häufigkeit, vgl. z. B.
abnemen [...]. 19. ›(die Schwurhand von der Bibel) nehmen, zurückziehen‹. – Wie das Gegenwort auflegen fachsprachlich ohne Obj. gebraucht.
abtun [...]. 2. ›etw. (z. B. eine Haltung) aufgeben [...]‹. – Synt.: meist mit Gen. d. P. oder S., refl. [...]; selten mit Akk.
In diesem letzteren Beispiel verbindet sich der syntaktische Kommentar mit (10), dem Häufigkeitskommentar, der demnach nicht mehr eigens belegt werden muß. Man erinnere sich aus Kapitel 18, daß Häufigkeitshinweise überhaupt zum Kommentar hin offen sind. – Im folgenden werden der semantische und der Belegkommentar zunächst jeweils durch Beispiele belegt und im Anschluß daran etwas ausführlicher erläutert.
19.2. Der semantische Kommentar
Der semantische Kommentar begegnet im Artikelkopf (vgl. 19.2.1.) und im Zusammenhang mit den Erläuterungen der Einzelbedeutungen (vgl. 19.2.2.).
19.2.1. Zum Vorkommen im Artikelkopf vgl. man folgende Beispiele:
2abreiten [...] Weitgehend paralleles Bedeutungsfeld unter abrechen.
abgehen [...]. Reich gefächertes Bedeutungsspektrum mit mannigfachen Bezugsmöglichkeiten der Bedeutungen aufeinander; offensichtlich zusammengehörig sind 1–3; 4–12; 14–15; 16–19; 22–23.
abstehen [...]. Das reich gefächerte Bedeutungsfeld ist wie folgt gliederbar: 1–5 ›von etw. Abstand nehmen, aufgeben‹; 6–10 und 15–17 nicht sinnvoll zusammenfaßbar, 6–10 aber an den Block 1–5 anzuschließen; 10–14 ›von etw. absteigen‹ und Synekdochen; 18–20 ›nachlassen [...]‹.
abtun [...]. Zusammengehörig im Bedeutungsfeld sind 1 und 2; 3–5; 8–11. Zur sehr weitgehenden Ausdifferenzierung der auch rechtssprachlichen Verwendungen (vor allem unter 2, 4, 5, 7) vgl. Rwb 1, 324–331 [...].
Semantische Kommentare des durch diese Beispiele vertretenen Typs werden ausschließlich (aber nicht immer) dann gegeben, wenn der Lexikograph der Auffassung ist, dem Wörterbuchbenutzer eine Strukturierungshilfe geben zu müssen, und zwar zum Zwecke schnellerer Erfassung besonders umfänglicher, durch die Zahlenfolge zwar gegliederter, aber doch erst nach der Lektüre der einzelnen Bedeutungspositionen zu überschauender semasiologischer Felder. Die Strukturierungshilfe besteht vereinzelt, wie im Falle von 2abreiten, in der Nennung paralleler Felder, meist aber in der Zusammenfassung mehrerer Bedeutungspositionen zu einer abstrakteren semantischen Einheit. Diese Einheit kann wie im Falle von abstehen inhaltlich ausformuliert sein, indem aus den als zusammengehörig erkennbaren Bedeutungen ein gemeinsames generisches Inhaltsmerkmal ausgegliedert und benannt wird (vgl. zu abstehen 1–5: ›von etw. Abstand nehmen‹); sie kann aber auch, wie bei abgehen und abtun, unterbleiben, so daß die Zusammengehörigkeit bestimmter Bedeutungen lediglich behauptet wird. Aber selbst auf solche inhaltlich nicht ausformulierten Zusammenfassungen wird in vielen Fällen verzichtet, man vgl. z. B. die Artikel abenteuer, abbrechen, abfallen, ablassen, abnemen, deren Kopf keine semantischen Kommentare enthält. Diese sind insgesamt also in der hier behandelten Stellung nur sparsam verwendet worden. Da andererseits ihr Strukturierungswert nicht zu bestreiten ist, da mir dementsprechend von Kollegen auch immer wieder empfohlen wurde, die Überschaubarkeit semasiologischer Felder durch eine tendenziell obligatorische Teilposition im Artikelkopf, eben semantische Kommentare, zu steigern, ist deren nur vereinzelte Verwendung zu rechtfertigen.
Dies soll hier durch Hinweis auf die in 12.5. Die Struktur der Bedeutungserläuterung angegebenen Gründe erfolgen: Es wäre inkonsequent gewesen, die aus prinzipiellen bedeutungstheoretischen und benutzerbezüglichen Überlegungen resultierende Reserve gegenüber der Ausgliederung generischer Inhaltsmerkmale bei der Gestaltung des Artikelkopfes aufzugeben, dort also alles wohlgeordnet voranzustellen, von dem in anderem Zusammenhang gesagt wurde, daß der Grad der Wohlbestimmtheit und Unterscheidbarkeit der Einzelbedeutungen, ihre mannigfachen Bezüge untereinander eine reihende Ordnung der Bedeutungen nahelege, da diese weniger Struktur suggeriere und dem Benutzer viel eher eigene Bezugsetzungen erlaube. Dem könnte man seinerseits entgegenhalten, semantische Kommentare seien ausdrücklich als Hilfeleistung des Lexikographen definiert, hätten also weniger faktenkonstatierenden als erläuternd-belehrenden Wert und müßten deshalb anders gelesen werden als z. B. die graduell mehr konstative Ordnung eines semasiologischen Feldes. Selbst wenn dies der Fall wäre – was einen in den Technica dieser Einleitung versierten Benutzer voraussetzte –, geht es mir hier um eine wissenschaftliche Handlungsmaxime, die nicht verwässert werden sollte: Die in Einzelfällen außerordentliche Komplexität semasiologischer Felder insbesondere eines Wortschatzes, der nicht durch eine Leitvarietät strukturiert wird, kann adäquat nur dadurch erläutert werden, daß man dem Benutzer ein Bild eben dieser Komplexität vermittelt und ihm Wörterbuchartikel damit weniger als fertige Antwortmengen auf seine Fragen unterbreitet als sie ihm als Aufgabe stellt.
Unter diesem Aspekt kehrt sich die Argumentationsrichtung also gleichsam um: Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, warum im Artikelkopf so wenig semantische Kommentare verwendet werden, sondern warum und in welchen Fällen man sie überhaupt anbringt: nur dann, wenn sie der Überschaubarmachung dienen, ohne die Komplexität der betreffenden Bedeutungsfelder zu verschleiern. Auch die Tatsache der unterschiedlichen Explizitheit semantischer Kommentare und die im Lichte exakter Wissenschaftssprache manchmal ungenau und/oder subjektiv wirkenden Formulierungen ergeben sich aus dieser Zielsetzung. Gemeint sind Wendungen wie die folgenden der obigen Beispiele: mannigfache (statt: genau genannte) Bezugsmöglichkeiten, offensichtlich zusammengehörig (ohne Nennung des Kriteriums), ist gliederbar (d. h. es kann auch anders gegliedert werden), nicht sinnvoll zusammenfaßbar (ohne Angabe von Kriterien), an den Block 6–10 anzuschließen (ohne Begründung) usw.
19.2.2. Beispiele für den semantischen Kommentar im Zusammenhang mit den Erläuterungen der Einzelbedeutungen bilden:
abbrechen [...]. ›e. S. von einer anderen abbrechen [...]‹; offen zu den spezialisierten Bedeutungen (vgl. 2–7).
abschneiden [...]. 2. ›etw. (Feldfrüchte o. ä.; mit Objektverschiebung: Anbauflächen) abmähen [...]‹; auch als Synekdoche für ›ernten‹; Spezialisierung zu 1.
abenteuer [...]. 2. ›[...] Siegesbeweis [...]‹; Metonymie zu 1. Das semantische Verhältnis von 1 und 2 hat Parallelen im Verhältnis von 3 und 4 sowie 16 und 17.
abfertigen [...]. 3. ›jn. im Hinblick auf ein Anliegen behandeln, abfertigen‹ [...]; offen zu 4 und 6. [Unter 4 folgt dann:] 4. ›jn. kurz abfertigen, abweisen‹; gegenüber 3 für negativ bewertete Handlungen.
abereilen [...]. ›jm. etw. abjagen‹; im Ggs. zu abeilen eher auf bewegliche Güter, vor allem Vieh, bezogen.
abspotten [...]. in der Ra. jm. ein or abspotten ›jm. etw. anhaben können‹; semantische Parallele unter absehen 7.
abstechen [...]. 6. ›[...] js. Land durch Übergraben der Grenze antasten‹ [...]. 7. ›(Eichzeichen) einritzen [...]‹. Die Verwendungen 6 und 7 haben eine Parallele in abgraben 4; 5.
Der einzelbedeutungsgebundene semantische Kommentar steht nach diesen Beispielen vorwiegend dann,
(1) wenn die vorgenommene Abgrenzung der einzelnen Bedeutungen als mit anderen Gründen auch anders mögliche Gliederung eines Kontinuums durch den Lexikographen charakterisiert werden soll; vgl. unter abbrechen: offen zu [...],
(2) wenn die Unterscheidungsleistung zweier Bedeutungsangaben vom Lexikographen als nicht hinreichend empfunden wird und der Unterschied deshalb gleichsam in einem zusätzlichen Erläuterungsanlauf noch einmal pointierend herausgestellt werden soll; vgl. abfertigen und abereilen,
(3) wenn durch Angabe partieller Feldparallelen (wie unter abstechen) oder paralleler Motivation von Phrasemen (vgl. abspotten) explizit auf geschichtsspezifische (im Gegensatz zu: universalismusverdächtige) semantische Konstellationen, darunter besonders differenzierte Bedeutungs- und Bezeichnungsfelder, priorisierte tertia comparationis von Metaphern usw. hingewiesen werden soll,
(4) wenn überhaupt durch Parallelisierung semantischer Konstellationen eine Auffassungs- oder Lernstütze gegeben werden soll (Unbekanntes wird auf Bekanntes bezogen oder durch Nennung von anderem Unbekannten als typisch hingestellt); vgl. abspotten, abstechen,
(5) wenn – wie in der Mehrzahl aller Fälle – das universelle (jedenfalls nicht geschichtsspezifische) Muster angegeben werden soll, durch das zwei Bedeutungen aufeinander beziehbar sind: Spezialisierungen aller Art (vgl. abbrechen, abschneiden), Metonymien (vgl. abschneiden, abenteuer), Synekdochen, Metaphern, Euphemismen, überhaupt die Tropen der Rhetorik, auf die im Wörterbuch passim hingewiesen wird, auch wenn hier aus Raumgründen auf Beispiele verzichtet wird. – Der Bezug des Einzelnen auf ein Muster hat natürlich einen erheblichen Strukturierungswert (vgl. auch die Aussage unter Punkt (4)).
Die vorangehende Liste setzt die unter 19.1.1. angegebenen drei Kommentarmotive gleichsam ins Operationale um: Was dort als Motiv formuliert wurde, ist hier als Anweisung zur Artikelgestaltung zu lesen. Die unter 19.2.1. für den semantischen Kommentar im Artikelkopf signalisierte Gefahr der einseitigen oder zu weitgehenden Strukturierung semasiologischer Felder stellt sich für den einzelbedeutungsgebundenen Kommentar schon deshalb viel weniger, weil er nur Feldteile betrifft. Außerdem bezieht er sich in der Mehrzahl der Fälle auf universelle Bedeutungsrelationen. Dies geschieht eher belehrend im Sinne des zuletzt angegebenen Kommentarmotivs als interpretierend.
19.3. Der Belegkommentar
Beispiele für den Belegkommentar bilden:
abenteuer [...]. ›[...] ritterliche Bewährungsprobe [...]‹ [...]. ⌈Von Christus gesagt: Päpke, Marienl. Wernher 6839 [...]: Ihesus, uf die warte kan | Mit kampfes aventúre, | Ob der ungehúre | Gen im och des gerůchte | Das er stritt [...] sůchte.⌉
absterben [...]. 7. ›jn töten‹ [...]. Mayer, Folz. Meisterl. 52, 336 [...]: Welch pein in [Akk. Sg. von er] numer mer ab stirbt. Zur Auffassung der Stelle: Die Berliner Hs. [...] hat statt in die Lesart im. Das würde eine Bedeutung ›aufhören [...]‹ voraussetzen.
abspülen [...]. ›etw. abspülen [...]‹. [...]. Ral. [= redensartlich] bei Kurz, Waldis. Esopus 4, 81, 187 [...]: Das er muß nach seiner Pfeiffen tantzen, | Und jm also das har abspúlt. (›jm. auf dem Kopf tanzen, jn. zum Narren halten‹).
abessen [...]. 2. in [...] bildlichen Verwendungen [...]. [...]. Chron. Augsb. 2, 203, 10 [...]: man hett gedingen, er wurd sich abessen [...] (übers.: ›seinen Unwillen aufzehren, sich beruhigen‹).
abtrünne [...]. ›Abfall [...]‹. [...] Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. 958 [...]: dâmit er ûz der âchte | der aldin abetrunne | irlôste menschlîch kunne (alte abtrünne ›Sündenfall‹).
Für die Verwendung von Belegkommentaren gelten nach diesen Beispielen folgende Regeln:
(1) Wenn in einzelnen Belegen vom typischen Inhaltsmuster der sonstigen Belege abgewichen wird, sollte auf diese Abweichung besonders hingewiesen werden, damit der Benutzer des Wörterbuches sie nicht überliest. Das gemeinte Beispiel ist abenteuer. Das typische Inhaltsmuster der Belege zu seiner Bedeutung 1. ›ritterliche Bewährungsprobe‹ lautet (mit rhematischer Hervorhebung des Satzgliedes, um das es hier geht): Es sind Ritter, die Abenteuer begehen. Wenn nun ausnahmehaft Christus als derjenige genannt wird, der ‚abenteuer‘ vollbringt, läßt dies aufhorchen: Besteht zwischen Christus und dem mittelalterlichen Ritter irgendeine typologische Parallele? Etwa in der Weise, daß Christi Erlösungstat das Vorbild für die Bereitschaft des Ritters ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen? Der Benutzer erkennt am Kommentar, daß der Lexikograph ihn gleichsam zu einer Frage dieses Typs auffordert.
(2) Wenn eine Bedeutung schwach oder wie diejenige von absterben 7 nur ein einziges Mal belegt ist und schon aus diesem Grunde nicht zweifelsfrei angesetzt werden kann, wenn solche Zweifel zusätzlich noch durch andere Gegebenheiten, im Beispiel durch eine unsichere Lesart, bestärkt werden, sollte man dies in entsprechenden Kommentaren formulieren.
(3) Wenn offensichtlich phraseologische Belegteile nach dem Urteil des Lexikographen der Erläuterung befürfen, kann dies durch eine die Phrasemmotivierung nachzeichnende (vgl. abessen ›aufzehren‹) oder assoziativ mit dem Phrasem verbindbare (vgl. das har abspuͤlen ›auf dem Kopf tanzen‹) Übersetzung geschehen.
(4) Wenn bestimmte Ausdrücke des Belegs (Wörter in eigentlicher Verwendung, Tropen, Figuren) nur bei gediegener Kenntnis der dargestellten Epoche verständlich sind, sollte eine Verständnishilfe durch Übersetzung der betreffenden Ausdrücke gegeben werden, vgl. im Beispiel abtrünne die Figur alte abtrünne ›Sündenfall‹.