beschneiden,
V., unr. abl.
und mit gramm. Wechsel; bei
Luther
-t-
im Wurzelauslaut.
1.
›(Bäume, Sträucher) beschneiden, so stutzen, daß der Ertrag erhöht wird‹; auch ütr., dann: ›etw. (z. B. eine Lehre) zurechtstutzen, für einen Zweck passend machen‹; als part. Adj.
beschnitten
1 ›beschnitten gestutzt‹.
Syntagmen:
den baum / wein / weinstok, das kraut / rebholz
, (ütr.:)
die lere / warheit b
.;
sich der meinung b
.
Wortbildungen
beschneidmesser
(dazu bdv.: , ),
beschneidung
1 (dazu bdv.: ).

Belegblock:

Ziesemer, Marienb. Ämterb.
148, 2
(
preuß.
,
1410
):
2 messer, do man den wyn methe besnyet.
Rosenthal. Bedencken
16, 6
(
Köln
1653
):
ob schon ein / oder mehrmahlen [...] etliche jhre Glaubens Lehren also gekrümbt / beschnitten / gefärbt.
Voc. inc. teut.
c vv
(
Speyer
um 1483
/
4
):
Beschneidu͂g die baum od’ die Weinstock.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
abehoͮwen was Got nút enist, glich eime ackermanne der sine boͮme besnidet.
Morrall, Mandev. Reiseb.
35, 2
(
schwäb.
,
E. 14. Jh.
):
wenn sie woͤllent die boͤm beschniden, daz tůnd si mit ainem scharpfen bain.
Bremer, Voc. opt.
14012
(
oalem.
,
1. H. 15. Jh.
):
Staber beschnidmesßer geschnidmesser.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Kraͤuter beschneiden / auff dz sie nicht zu geil werden.
Wann man den Weinstock nicht beschneidet / so schmecket der Wein nicht.
Niewöhner, Teichner
348, 31
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
wo sich ainer macht auf | und wolt dw worhait nicht besneiden.
Schmitt, Ordo rerum
635, 25
;
Dietz, Wb. Luther ;
West, Dasypodius.
1989, 278
.
2.
›etw. (unterschiedliche Bezugsgrößen, z. B. Steine, Holz, Speisen) gebrauchsfertig machen‹; je nach Bezugsgröße: ›(Steine) behauen; (Holz) zuschlagen; (Speisen) schneiden, aufschneiden‹; hier anschließbar: ›(die Rede) kurz fassen‹; auch als part. Adj.
beschnitten
2.
Phraseme:
beschnittene bilde
›Schnitzwerk‹;
den schild mit farben beschneiden
›mit abstechenden Farben bemalen‹ ().
Wortbildungen:
beschneidig
(wohl: ›scharf geschnitten, behauen, von Steinen‹; a. 1608).

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Der stein besniten sunder hant | An einen grozen berk wuchz.
Thiele, Minner. II,
12, 60
(Hs. ˹
nalem.
/
sfrk.
,
1470
/
90
˺):
der meister stund in faren | der solche strube holczer soll beschniten.
Hajek, Gůte spise
12
(
rhfrk.
/
nobd.
,
um 1350
):
besnide biern schone vnd spalt in viere.
Ebd.
29
:
laz sie [gůt leber] kalden vnd besnit sie schone.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Der felss sunder argen hass | All umbe schnitten was
[nur hierher, falls kritisch
allum beschnitten
gelesen werden kann].
Vetter, Schw. zu Töß (Hs.
15. Jh.
):
do stund auf einem altar die ablößung unßers herren mit beschnittenen bilden.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
1991
(
schwäb.
,
1453
):
Und wil min red beschniden kurcz.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Beschnitten red / narratio breuis, concisa.
3.
›(Stoff) zum Nähen von Kleidern zuschneiden‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›jn. bekleiden, einkleiden‹; als part. Adj.
beschnitten
3 ›bekleidet, eingekleidet‹.

Belegblock:

Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Was man wúrken solte | [...] | Von golde und och von siden: | Beraiten und beschniden, | Werken, weben, spinnen.
Haltaus, Liederb. Hätzlerin (
schwäb.
,
1471
):
Ire weiber sind mit vech beschnitten.
Österley, Steinhöwels Äsop (
Ulm
1474
/
82
):
beschnit er den grammaticum und den harpfer mit nüwen knechts klaidern.
Grossmann, Unrest. Öst. Chron. (
oobd.
,
3. Dr. 15. Jh.
):
die knaben darauf peschnitten in prawn damasck.
Mollay, H. Kottanerin
31, 39
(
moobd.
,
1439
/
40
):
ainen klainen knaben, der [...] in narren geklaid geklaidt vnd besniten, in narren gebant.
Preuss. Wb. (Z)
1, 554
.
4.
›(Münzrohlinge) nach einer genauen Maßvorgabe am Rande so beschneiden, daß die Wertgleichheit aller Münzen einer bestimmten Sorte gewährleistet ist‹; beim Münzbeschnitt über das vorgegebene Maß hinaus tritt eine Wertminderung ein, deshalb auch: ›(Münzen) durch Beschneidung der Ränder im Wert mindern‹.
Rechtstexte, Chroniken.

Belegblock:

Ermisch, Freib. Stadtr. (
osächs.
, Hs. 
v. 1325
):
Di pfenninge sullen si geliche besniden unde reine wirken.
Löscher, Erzgeb. Bergr.
190, 18
(
omd.
,
1554
):
das die müncze mit dem beschneiden noch abschroten nicht vorgeringert oder verfelschet [...] werde.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
15. Jh.
):
verprannt man den Schanpach von falscher gulden wegen, die er beschniden het.
köpft man den Kornreich, [...], het gulden besniten.
Memminger Chron. (
Ulm
1660
):
ertrincket man einen / hieß Affenschmaltz / weil er die Müntz verfälschet vnd beschnitten.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
um 1365
):
swer haller und ander muͤnzz besneit, den vertigt man fuͤr einen valschen.
Zingerle, Inventare (
tir.
/
vorarlb.
,
1495
):
Parschafft xxxv gulden reinisch, zwen beschnitten ducattn.
5.
›jm. etw. (das Haar, die Nägel) schneiden, etw. (z. B.) den Finger abschneiden; (ein Tier) scheren‹; ütr. von abstrakten Bezugsgrößen: ›etw. (z. B. die Keuschheit) von etw. (dem Körper) trennen, lösen, scheiden; etw. (z. B. das Übermaß) aus etw. (dem Leben) herausschneiden, verbannen‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1522
):
wenn yemants den leychnam Cristi hett angerürt, da fürn die priester zů und beschnytten jm die finger.
Ders. Hl. Schrifft.
5. Mose 21, 12
(
Wittenb.
1545
):
las jr [Weib] das Har abscheren / vnd jre Negel beschneiten.
Ebd. Hohes
Lied 4, 2
:
Deine [Freundin] Zeene sind wie die herde mit beschnitten
[
Froschauer
1530:
geschoren
;
Dietenberger
1534 /
Eck
1537:
beschoren
bzw.
-e͂
]
wolle.
Neumann, Rothe. Keuschh.
2319
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
ab di unkuscheit alsus | van deme liebe uswenig ist besneten.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
614, 10
(
els.
,
1362
):
wenne er [Cornelius] us sime lebende besnitten hette alle úberflussekeit.
Neumann, a. a. O.
4939
;
6.
›(die Vorhaut des männlichen Gliedes) beschneiden‹; mit Verschiebung der Bezugsgröße: ›jn. beschneiden, dem in 1. Mose 17, 11 vorgeschriebenen religiösen Ritual unterziehen‹; Spezialisierung zu 5; auch bildlich gebraucht; als part. Adj.
beschnitten
4 ›beschnitten‹.
Vorwiegend Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
die vorhaut b., jm. die lieder b
., ˹[verschoben:]
jn
. (z. B.
das kind, den knaben, Christum
)
b
.˺;
got von dem b
. (subst.)
nicht gefallen
;
beschnittene diet
(›Volk der Juden‹);
her der beschnittenen, verheissung der beschnittenen
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Wen Crist wart selben besniten | Nach den israhelischen siten.
Hieraus erfolget, das, der nicht beschnittenn ist, nicht faste, nicht bete.
Ebd. (
1522
):
sagt Stephanus auch zun Juden ,Jr unbeschnitten am hertzen und nieren‘, so sy doch am flaisch beschnitten waren, ’ewer nieren und hertz ist noch nit beschnytten.
Ebd. (
1525
):
Wer aber ein gekauffter Knecht war, der muste beschnitten werden.
Ebd. (
1544
):
Keiner, der beschnitten ist, hat Gottes gebott erfuͤllet oder hellt das Gesetz. Was ist aber das anders, denn, die beschnitten sind, sind nit beschnitten?
Ebd. (
1543
):
denn eine faule neige von zugelauffener, frembden buben oder Zigeunern, die sich beschneiten und stellen, als weren sie Juͤden.
Ders. Hl. Schrifft.
1. Mose 17, 11
(
Wittenb.
1545
):
Jr solt aber die vorhaut an ewrem Fleisch beschneiten / Dasselb sol ein Zeichen sein / des Bunds / zwischen mir vnd ewch.
Ebd.
5. Mose 10, 16
:
beschneitet nu ewrs Hertzen vorhaut / vnd seid forder nicht halsstarrig.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
der was undir den Patriarchen | zwuschen der besneten diet | und der unbesneten.
Gille u. a., M. Beheim
234, 102
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ob ein jud ab wil trennen | ein cristen von der cristenheit, | das er in judscheit und pesneit, | den sol man toten.
Reichmann, Dietrich. Schrr.
199, 14
(
Nürnb.
1548
):
die [...] an Christum glauben / Das sind aber nicht allein beschnittene Juden / sonder auch glaubige Heiden.
Williams u. a., Els. Leg. Aurea
85, 9
(
els.
,
1362
):
das er us dem gloͮben vnd us sinre gerehtikeit gotte ist wol gevallen vnd nút von dem beschnidende.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel (
Straßb.
1466
):
es wart gethan an dem .viij. tag sy kamen zebeschneiden das kint.
Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
er bedarff der Moresken, seine Heer der Janitscharn vnd beschnittenen damit zu stärcken.
Maaler (
Zürich
1561
):
Beschnitten (der) Der kein vorhaut hat.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Beschnitten als ein Jude / oder Tuͤrck.
Rauwolf. Raiß ([
Lauingen
]
1582
):
Kürchen / in die kein Christ gehn darff / er woͤll sich dann beschneiden / vnnd zum Mamalucken machen lassen.
Kurrelmeyer, a. a. O. ;
Adrian, Saelden Hort
1644
;
Lindqvist, K. v. Helmsd.
2384
;
Goldammer, Paracelsus
5, 175, 12
;
Dietz, Wb. Luther .
7.
›jn. (einen Mann) an den Genitalien verletzen; jn. kastrieren, entmannen‹; als part. Adj.
beschnitten
5: ›impotent‹.
Bedeutungsverwandte:
.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
1601
):
so ich, der Mölnvoigt nicht mit ihnen im Kloster gewest wehre, wolten sie die albeide Ebte beschnitten haben.
Luther, WA (
1537
):
also wirt einer auch geborn ein Beschnittener, das ehr gahr kaldt und erfroren ist gegen einem weibsbilde, das ist ein Naturlicher kaphan.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
SWeme De můnt oder de nese [...] beschůmelt werden oder zwischen den beynen besneten wert, [...], daz sal man ime Widere tůn.
Dietz, Wb. Luther .
8.
›etw. reduzieren, schmälern, einschränken; jn. hinsichtlich e. S. kürzer halten‹; als part. Adj.
beschnitten
6 ›beschränkt, unentwickelt (von der Sprache); schmal, dürr, mager (von der Gesichtsform); knapp bemessen, armselig (von der Nahrung)‹.
Phraseme:
jm. den kappes beschneiden
›jm. das Handwerk legen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 3.
Syntagmen:
(jm.) den leumund / namen / sold / wein, die ere / sprache, das ampt / gut b
.;
worte beschnitten sein
.
Wortbildungen:
beschnittenlich
›bruchstückhaft, unvollkommen‹.

Belegblock:

Moscherosch. Ges. Phil. v. Sittew. (
Straßb.
1650
):
Leuten, die einem ehrlichen Mann seinen guten Namen, Ehr vnnd Leymuth beschneyden können.
Schmidt, Rud. v. Biberach
72, 13
(
whalem.
,
1345
/
60
):
disvͥ kraft [...] sihet die natur an also ab gescheidenlich vnd als besnittenlich vnd als blos, daz si nuͥt an sicht noch betrachtet zit noch stat.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Der
[Kinder]
wort sint vil beschnitten | Mit staggelonde.
Bächtold, N. Manuel. Papst
60, 752
(
Zürich
1525
):
Wir müessend üch den kabis beschniden.
Maaler (
Zürich
1561
):
Den sold Beschneyden. Stipendia circumcidere. Eim den weyn Beschneyden. Circumcidere uinum. Eim sein gůt Beschneyden oder entragen. Destringere, & abradere aliquid bonis alicuius.
Schorer, Sprachposaun
13, 11
(o. O.
1648
):
Jeder beschneidet / bestimmelt dieselbe [Sprach] wie er wil.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Beschnitten / attenuatus, contractus. Beschnitten von Angesicht / gracilis, exilis facie. [...]. Ein kleiner beschnitner portz / schlechte nahrung.
Preuss. Wb. (Z)
1, 554
.
9.
›jn. (auch: sich) / js. Kräfte den Geboten sittlicher und religiöser Moral unterwerfen und dadurch frei machen, sich zurücknehmen, jn. zur Moral hin wenden‹; auch bildlich.
Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Syntagmen:
sich (selber) b., das gemüte, die wandlung, die augen / gedanken / sinne / werke / worte b., jm. das herz b., sich von der unordnung, von des reiches gottes wegen b
.;
mensch / js. mund beschnitten sein, j. mit sitten / worten beschnitten sein
;
beschnittene notdurft
.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
die prelate | Die mit ir guten rate | [...] | Die warrichaften sinne | [...] | Hie kunnen so besniten | Daz sie warbichtic werden.
Luther, WA (
1546
):
Hie widder sagt die vernunfft: Es ist war, ich bin wol beruffen, beschnitten.
Kochendörffer, Tilo v. Kulm (
preuß.
,
1331
):
Welch mensch mit ganczen sinnen | Sich nicht besnidet innen.
Thiele, Minner. II,
31, 700
(Hs. ˹
md.
/
rhein.
,
1. V. 15. Jh.
˺):
dar na besneden sy ir wort | und auch werck al omme, | das valsche woirte kromme | werden gesliffen die ecken abe.
Neumann, Rothe. Keuschh.
4738
(
thür.
,
1. H. 15. Jh.
):
ein mensche das lieb had kuscheid, | das [...] | [...] sal auch sin besneten | in siner wanderunge mit guten seten.
Kehrein, Kath. Gesangb. (
Bautzen
1567
):
Beschneid vnser hertz sin vnd gmuͤt, | Das wir vor suͤnd vnd schand behuͤt.
Ebd. (
Nürnb.
1631
):
Beschneiden will ich Haupt vnd Hirn, | Mein Haar, mein Angesicht vnd Stirn, | Augen, Nasen, Ohren, vnd Mund, | [...] | Damit ich dein Nachfolger sey.
Henschel u. a., Heidin
1075
(
nobd.
,
um 1300
):
ein reines wip | Die hat mir min h’ze besniten | Mit iren gvten siten.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
diser edel mensche, er sol sich selber besniden von aller unordenungen.
Ebd. (
1359
):
das er besnide sine wort und wandelunge von aller unordenunge inwendig und uswendig.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
Eins gelassen menschen ergezzung in der natur sol sin ein beschnitnú noturft in unvermisten werken.
Goldammer, Paracelsus
7, 176, 16/7
(
1530
):
jung frauen, [...] die sich selber beschneiden von des reichs gottes wegen.
Henisch (
Augsb.
1616
):
Beschneiden die augen / das ist / in der zucht halten. [...]. Gedancken beschneiden / oder denselben stewren.
Brévart, K. v. Megenberg. Sphaera
4, 21
(
noobd.
,
1347
/
50
):
Also besniten ist mein mund, | Das übermazz gib ich nü auf.
Neumann, a. a. O.
1725
;
Päpke, Marienl. Wernher ;
Sudhoff, Paracelsus .
10.
bedeutungsverwandt zu .