leidlich,
leidelich
(selten),
leidenlich,
Adj.
/
Adv.;
Zusammenfall zweier Bildungen:
mhd.
leitlich
›leidvoll‹
() und einer Ableitung von
1
leiden
(V., unr. abl.),
mhd.
(unbelegt)
lîtlich
.
1.
›Schmerz und Leid bringend, Schmerz zufügend; auf schmerzvolle Weise; mit Leid verbunden (von der Liebe)‹;
offen zu 2; vgl. (
das
12,
1
(V., unr. abl.) 1.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz ist ein vil leitlich clage, | Die durch din herze snidet.
Reissenberger, Väterb. (
md.
, Hs.
14. Jh.
):
Ich sach wol wie sie quamen | Die sie [kint] mir leitlichen namen.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
di libe schonet alle ding, | wie leitlichen si ist geschaffen.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
so kummet der vigent und umbgriffet sú mit der gruͤben des leitlichen verzwifelndes.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
ich volschribe [...] daz unwiderbrinklich ungemach, daz mir daz leitlich scheiden von minem geminten hat getan! [...] Waz ist mir nu me ze tuͦnne, denne daz ich mich selber verwerfe in daz abgrúnd dez leitlichen verzwiflens?
der dir nút git ein willekliches scheiden, dem lonest aber du mit eime leitlichen scheiden.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Das har mit der schwarten | Ward in laittlich abgeschoren.
Maaler (
Zürich
1561
):
Leidlich / das zum leid dienet. Lugubris.
Spechtler, Mönch v. Salzb.
1, 94
(
oobd.
,
3. Dr. 14. Jh.
):
si kan verswellen | die uns wellen | laidlich vervellen.
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 318
.
Vgl. ferner s. v. .
2.
›Schmerz und Leid empfindend / ausdrückend, schmerzhaft, kummervoll; bitter, furchtbar, schlimm (zur Betonung des Ausmaßes); schwer zu ertragen‹; speziell: ›trauernd, Trauer um einen Toten tragend‹;
vgl. (
das
23,
1
(V., unr. abl.) 1.
Syntagmen:
etw. l. tragen; die leidliche not, das leidliche wunder, leidliche schmerzen
.

Belegblock:

Quint, Md. Karl u. Eleg.
234
(Hs. ˹
thür.
,
n. 1455
˺):
gebytest my [...] | Dz ich solde stelen ryten, | [...] | Daß ist mir ein leytliche stu͂de.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
der [son] starp ir [...]. do hielt sie sich also leidlichen umbe, das sie gote vorloubete, das sie bis an ir ende keyne andir cleidunge trugk.
Pyritz, Minneburg
3644
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Turn und erker musten lyden | Lytlich gebrechen von den plyden.
Gille u. a., M. Beheim
128, 42
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
Ye doch so ruffen sy [die vertampten] affe | laidliches laid und herczen we.
Bihlmeyer, Seuse (
alem.
,
14. Jh.
):
min schoͤne lip wart so gar leitlich von dien ungezogen geiselschlegen zerfüret.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
So laitklich und so erbærmklich, | So klæglich und so jæmerlich | Was ir wainen.
Adomatis u. a., J. Murer. Nab. nach
1535
(
Mühlh./E.
1556
):
Achab zücht sine Küngkliche kleider uß | und beklaidt sich leidlich.
Wyss, Luz. Ostersp.
3, 172, 89
(
Luzern
1596
/
7
):
Judith Anfangs in erbarer, subrer kleidung alls ein Ryche wittfraw, Erbar, doch schwartz vnd leidtlich mit einem [...] schleyer vbers houpt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Leidlich vnd traurig bekleidet. Sordidatus.
Helm, H. v. Hesler. Apok. ; ;
Reissenberger, a. a. O. ;
Hübner, Buch Daniel ;
Lemmer, Brant. Narrensch.
13, 56
;
Wackernell, Adt. Passionssp. St. I,
422
;
Schmidt, Hist. Wb. Elsaß .
3.
›wohl zu leiden, auszuhalten, erträglich‹; speziell: ›genehm, statthaft, annehmbar, recht, akzeptabel, tragbar; gerecht (von Gegenständen und Sachverhalten, z. B. Entscheidungen)‹; ›erträglich, aushaltbar (von Schmerzen)‹; ›angenehm, nett, hübsch, gut zu leiden (z. B. von Personen)‹; ›angemessen, gemäßigt, billig (von Geldzahlungen, Preisen u. ä.)‹.
Phraseme:
leidlicher pfennig
.
Bedeutungsverwandte:
, ,  1,  6, (Adj.) 3, (Adj.) 2,
2
 3,
1
 1, , .
Syntagmen:
etw. l. haben, jn. l. brandschatzen / halten, (jm.) etw. l. sein; der leidliche gemal / preis / vertrag / weg, die leidliche belonung / bezalung / oberkeit / zubusse, das leidliche bürgerrecht, leidliche orte / zeiten
.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
, Hs.
E. 16. Jh.
):
Er hatte großen handel mit vihe, pulver, ther [...]. Das dem Raht alda nicht leidlich ware.
Luther, WA (
1530
):
dein new Euangelion ist wol recht, aber es hat eine sonderliche newigkeit an sich, die nicht leidlich ist!
das man es andern Nation und koͤnigreichen auch muͤste zu lassen, das sey aber nicht leidlich.
Ebd. (
1532
):
wenn jemand ein from leidlich gemalh uberkompt, warumb woltestu jn denn nicht drumb bitten das ers lasse wolgeraten?
Ebd. Bibel Var. (
1522
):
lege bey sich selbs eyn yglicher vnter euch, vnnd samle, was yhm wol zuthun ist
(Var. 1530:
was jm leidelich ist
).
Toeppen, Ständetage Preußen
5, 524, 15
(
preuß.
,
1508
):
ob disz [...] zu ableynung aller beschwer disz handels euch leidlich sey.
Kurz, Waldis. Esopus (
Frankf.
1557
):
Weil mir mein stand zu dieser frist | Leidlich vnd wider Gott nicht ist, | Muß ich damit zu frieden sein.
Schwartzenbach (
Frankf.
1564
):
Den leidlichsten weg fuͤrnemmen.
Jungbluth, J. v. Saaz. Ackermann
20, 30
(Hs. ˹
omd.
,
1465
˺):
was scheuzlich ist, das ist leidenlich zu haben, wann es mißfellet allen leuten.
Ermisch, Sächs. Bergr. (
osächs.
,
1492
):
wann ein zceche aufgenomen wirdt, so sol der aufnemer mit rat der gewercken ein leidlich zubusse erstlich anlegen.
Sachs (
Nürnb.
1550
):
Das ich muß [...] | Mit meinem bösen weyb erschlagen. | Leidlicher wer mir, und het auch lieber | Das drey- oder vierteglich fieber.
Fuchs, Murner. 4 Ketzer
347
(˹wohl
Straßb.
˺
1509
):
Doch kam er mit der hut daruon | Vnd ward noch recht lydlich gehalten.
Spanier, Murner. Narrenb.
40, 92
(
Straßb.
1512
):
Thet er, als syn vatter that, | So wer es in doch lydlich nit.
Qu. Schweiz. Gesch. (
halem.
,
1470
):
das bißhar so ein lydenliche und verstaͤndtliche oberkeit were gewesen, so den iren nüt unbillichs hette zuͦgemuͦtet.
V. Anshelm. Berner Chron. (
halem.
,
n. 1529
):
[er] aber keinen lidenlichen vertrag mit dem Roͤmschen keiser moͤge bekommen.
Jörg, Salat. Reformationschr.
511, 6
(
halem.
,
1534
/
5
):
was doch alls lydenlich dann uns nun dis xxix jar bringen wil.
Rennefahrt, Gebiet Bern (
halem.
,
1566
):
Wir wöllend ouch sonst das übrig unser saltz [...] einer statt Bern [...] umb ein zimlichen, lydlichen pfennig, wie man deß in billigkeyt sich vereinen mag, köüflich [...] gevolgen lassen.
Ders., Wirtsch. Bern (
halem.
,
1619
):
dardurch das getreidt in lydenlichem pryß und schlag zeerhalten und verthürung, clam und mangel zeverhinderen.
Ders., Statut. Saanen (
halem.
,
1647
):
das man sie lydenlicher dan andre ussre in der trybut halten sölle.
Lemmer, Brant. Narrensch.
93, 22
(
Basel
1494
):
Gar lydlich wer der juden gesuͦch | Aber sie moͤgen nit me bliben | Die krysten juden / sie vertriben.
Maaler (
Zürich
1561
):
Leydenlich / wol ze Leyden / Ertragenlig [...]. Milte oder Leydliche Kelte.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
1523
/
7
):
[doctor Martinus hat] entlich beschlossen, daß im in kain weg leidlich sein wolt, ichts zuͦ widerrieffen.
Ebd. (
schwäb.
, zu
1553
):
dardurch irs verhoffens gemaine burgerschaft [...], auch in gleicher leidenlicher narung nebenainander dermassen beleiben mag, darmit der arm durch den reichen nit vertruckt.
Barack, Zim. Chron. (
schwäb.
,
M. 16. Jh.
):
das sie die [...] flecken umb ein leidenliche und landtleufige bezalung widerumb solten [...] lasen gelangen.
Gilman, Agricola. Sprichw.
2, 133, 8
([
Augsb.
]
1548
):
der Dienst ist nun leidlicher dann der erste.
Wedler, W. Burley. Liber
152r
(
moobd.
,
v. 1452
):
Ist der smercz klain, so ist er leidlich.
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
16. Jh.
):
Ob im pandaiding aines andern herrn undersess [...] beklagt wurt und der beclagt begerte sein bedacht, der soll im auf das nachtaiding oder sunst auf ain leidenliche zeit geben werden.
Mell u. a., Steir. Taid. (
m/soobd.
,
1523
):
[das] an der selben obrikait zu smelerung raichet [...], das lenger in dhain weg leidlichen noch zu gestatten sein will.
Küther, UB Frauensee
301, 4
;
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Bolte, Pauli. Schimpf u. Ernst ;
Merk, Stadtr. Neuenb. ;
UB Zug
1955, 2, 4
;
Jörg, a. a. O.
327, 19
;
Heydn. maister
15r, 1
;
Löffler, Columella/Österreicher ; ;
Barack, Zim. Chron. ;
Wedler, W. Burley. Liber
137v
;
Mell u. a., a. a. O. ;
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. ;
Piirainen, Stadtr. Kremnitz
62
;
Vorarlb. Wb.
2, 260
;
Baumann-Zwirner, Augsb. Volksb.
1991, 290
.
Vgl. ferner s. v.  1.
4.
›passiv, ohne eigenes Zutun, empfangend; leidensfähig, geduldig, bereitwillig das Leiden auf sich nehmend‹.
Texte religiösen Inhalts.
Wortbildungen:
leidlichkeit
2 ›Leidensfähigkeit, Geduld‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1516
):
wirklich, die ander leidentlich: Activa Passiva.
Jostes, Eckhart
85, 24
(
14. Jh.
):
Dor um so setz ich ein lidlich aufquellung und nennen wir di ersten red wesen.
Ebd.
86, 16
:
Die selb maht, di sich helt im vater wuͤrklich, di helt sich im suͦn lidlich.
zu Dohna u. a., Staupitz/Scheurl
79
(
Nürnb.
1517
):
Wann er ist komen sterblich, leidenlich [...]; er hat mögen leiden und sterben von wegen der gleichnus des fleischs der sünden.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
1359
):
ir muͤssent schof sin in worer semftmuͤtikeit, in stillikeit und aller gelossenheit, lidelicheit, das du habest ein under geworffen gemuͤte under Got und durch in under alle creaturen in lidelicher wise.
Die eine [suͦchunge] die ist in im wirklich und die ander ist lidelich. Die wirklich das ist da der mensche suͦcht; in der anderen so wirt er gesuͦcht.
Denne kumment die lidelichen goben und die haltent sich zuͦsamene, das ist der rot und die stercke.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
146, 10
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
[daz] die glorie siner sele [Christus] niht überfloz in den lip, daz geschach von einer gotlichen teilung, daz in dem lidelichen libe unser erlösunge erfulte die heimlicheit gottis.
Hohmann, H. v. Langenstein. Untersch.
97, 15
(
moobd.
,
1. H. 15. Jh.
):
ich rede hie von der uͤbernaturleichen offenbarung, [...], zü der sich daz menschleich gemuͦt halt allain leydleich vnd nicht wurchleich.
Kurrelmeyer, Dt. Bibel Var.;
Diefenbach, Mlat.-hd.-böhm. Wb. .
5.
›widerwärtig, widerlich, Ekel hervorrufend, häßlich‹.
Bedeutungsverwandte:
 12.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1556
):
Mir traumbt, ein schmeichelhafftig hund | Mir leidlich lecket meinen mundt.
Maaler (
Zürich
1561
):
Leidlich / haͤßlich.
Drescher, Hartlieb. Caes. (
moobd.
,
1456
/
67
):
Es was ain poͤser, laidlicher priester in ainem dorff, der was unkewsch und frässig.