musse,
die
;
-n/–
.
Im Bedeutungsspektrum von
musse
verbinden sich temporale, moralisch wertende, deontische und psychische Momente zu einem einzigen Ansatz bzw. zu dessen Nuancen. Demzufolge beziehen sich die Hinweise zur semantischen Motivation der folgenden Wortbildungseinheiten mehrfach auf die Nuancen von
musse
.
›freie Zeit, Zeitspanne der Nichttätigkeit; Freiheit; Möglichkeit, Belieben, Gelegenheit‹ (neutral); ›mit Nichttätigkeit potentiell verbundene Trägheit, Faulheit, Tendenz zu Lasterhaftigkeit e. P.‹ (negativ wertend); ›innere Ruhe, Bedachtsamkeit, Überlegtheit als Folge fehlender Hast; Geduld‹ (positiv wertend); ›aus innerer Ruhe geborene Verpflichtung zu je kontextspezifisch üblichen Handlungen‹.
Gehäuft Texte der Sinnwelt ,Religion / Didaxe‘, auch berichtende Texte.
Phraseme:
ane alle musse
›ohne jede Pause, ununterbrochen‹;
zu guter mussen
o.ä. ›in Ruhe‹;
mit ungenommenen mussen
›ohne Aufschub‹;
jn. mit mussen lassen
›jn. in Ruhe lassen‹.
Bedeutungsverwandte
(bzw. Orientierungsfeld): ,  1 (subst.), (
die
12,  1,  5, , , , ; vgl.  3,  3,  2.
Syntagmen:
m. haben / nemen, jm. m. geben
;
jm. die m. werden, das [...]
;
der mussen pflegen
;
in der m. nichts ausrichten, jn. in die m. senken, jn. mit m. in den glauben füren, mit m. etw. besehen, mit guter m. fern gehen, mit m. über einer rede sitzen, sich mit m. bereiten, zu etw. rüsten
;
die m. der vasnacht
;
die faule / kurze / lange / liederliche m
.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
Quies. Ruw ruge rast musse.
Tempus. Zeit weyl stund frist zil muͦß.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Daz wir die zit bewenden | In diser kurzen muze, | Daz uns der werlde suze | [...] | Von Gote nu icht enleite.
[ich] han mit langen muzen | Uber der rede gesezzen, | Wen ich habe sie gar durchmezzen | Unde ebengliche gewegen.
Cristenheit, ich [engel] mache sie | Daz sie
[Juden]
zu dinen vuzen | Mit ungenomenen muzen | Und mit des gelouben triten | Komen und dich gnaden biten.
Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
Vil seldin in [den Prûzin] dî stunde | und mûze werden kunde. | daz sî des brôtis êsin sat.
Luther, WA (
1520
):
sol sie [die schwachgleubigen] senfftiglich unnd mit seuberlicher musz widder erausz in den glauben furen.
Ebd. (
1538
):
Do wurde ein weitter, breitter weg, [...] mitten durchs rotte meer, das die kinder von Jsrael sind mitt aller mussen hindurch gegangen.
Quint, Eckharts Trakt. (
E. 13.
/
A. 14. Jh.
):
sô gange er ze sînem gote [...] mit grôzem riuwenne [...], bis daz er muoze habe der bîhte.
Meijboom, Pilgerf. träum. Mönch
1380
(
rib.
,
1444
):
Dan moecht yr zo guder moessen, | [...] | De portze untsliessen in zo gaen.
Ebd.
7076
:
Vliet van hynne ind laist mich
[den Pliger]
mit moessen | Ind doet dese stricke usser mynen voessen!
Karsten, Md. Paraphr. Hiob (
omd.
,
1338
):
Daby doch dy tage min | Sneller vil gewesen syn | Wen der loufer, der zu vuze | Hyn wandert an alle muze.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
So nemen sie en muze | Ein jar, dri oder viere.
Küther, UB Frauensee
251, 32
(
thür.
,
1486
):
Were eß sach, daz dere probest meher tiche machin wolle laß, soll in [...] muͦß stehen.
Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1449
):
die [kuchenmaister] teten dem obgenanten Tetzel alle vir oder acht wochen, nachdem und sie muß hetten, rechnung.
Gille u. a., M. Beheim
118, 318
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
daz er
[Gott]
nür | gemach tu in den dingen | Und sich in rehter masse | ordlich mit muss perait und rust | und dann erfür kum.
Voc. Teut.-Lat.
v viijv
(
Nürnb.
1482
):
Muß weyl stunde. mora pausa interuallum.
Gilman, Agricola. Sprichw.
1, 67, 12
(
Hagenau
1534
):
Mit guter mussen / gehet man auch ferne.
Koppitz, Trojanerkr. (Hs. ˹
noschweiz.
,
15. Jh.
˺):
Der altte lertte in schïssen, | Des in nitt verdrïssen | Woltt wen er müssen pflag.
Jörg, Salat. Reformationschr.
194, 19
(
halem.
,
1534
/
5
):
das Zwinglj mit den sjnen / sich mit guͦter ruͦw / und muͦs zuͦ der sach gerüst.
Maaler /v (
Zürich
1561
):
Muͦß (die) Weyl / So einer aufhoͤrt arbeiten Muͤssiggang. Otium, Vacuitas, Vacatio. Ein faule vnd liederliche Muͦß oder tragheit / in deren man gar nichts ausricht. Discincta otia.
Niewöhner, Teichner
56, 52
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
yegleich sunt hat ıͤr puez. | also ist der vasnacht muez.
Fuchs, Kart. Aggsbach (
moobd.
,
1412
):
Da macht mein herre die muͤzz nit gehaben, das er sew verhoͤrt hiet.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
‚schuel‘ und ‚schüeler‘ sein nit teutsch sunder kriechisch näm, gezogen von dem wort ‚schola‘, das auf die kriechisch sprach ‚mueß und obligen‘ haist.
Vetter, Pred. Taulers ;
Jörg, a. a. O.
429, 5
;
Voc. inc. teut.
q vijv
;