aufwerfen,
V., unr. abl.
– Bed. 1: ›öffnen‹; daran 2-3 anschließbar unter dem Aspekt, daß ein Bezugsgegenstand offen vorgelegt wird; 4-5 zusammengehörig unter dem Gesichtspunkt der vertikalen Bewegung oder Anbringung von etw.; 6-7 mit der Nuance ‘Öffnung’ an 1, mit der Nuance ‘vertikale Bewegung’ an 4-5 anschließbar; 8-11: ‘jn./etw. über seinen Stellenwert erhöhen’, insofern verbindbar mit 4-5; 12-14 ohne erkennbare assoziative Beziehung zum sonstigen Bedeutungsfeld.
1.
›etw. (in allen Belegen: ein Tor o. ä.) aufschlagen, aufstoßen, aufbrechen, mit Gewalt öffnen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
1
 3, (s. v. ).

Belegblock:

Strehlke, Nic. Jerosch. Chron. (
preuß.
,
um 1330
/
40
):
daz sî zuhant | wurfin ûf daz burgetor | und lîfin al hin vor.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
da waren aber die von Reutlingen [...] unverzagt und wurfen ain ander tor auf.
2.
›etw. vorbringen, darlegen, zur Debatte stellen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  12.
Syntagmen:
eine frage, die gerechtigkeit, einen alten brief a.

Belegblock:

Luther, WA (
1535
):
quicquid possunt auffwerffen super hoc, sum dominus.
Dietz, Wb. Luther ;
Preuss. Wb. (Z)
1, 268
;
3.
›etw. als Preis aussetzen‹.
Syntagmen:
ein kleinod / eine abenteuer a.

Belegblock:

Sachs (
Nürnb.
1552
):
Ich wil auffwerffn drey kleinat darzu, | Wellicher darinn das beste thu, | Das der das best kleinat gewinn.
4.
›etw. in die Luft werfen, etw. (z. B. ein Banner) in der Luft entfalten, etw. (z. B. die Arme) hochwerfen; (den Saft in Pflanzen) hochtreiben‹; speziell:
eier aufwerfen
(vom Brauch des österlichen Werfens von Eiern);
die würfel aufwerfen
›mit dem Spiel beginnen‹ (am ehesten hierher).

Belegblock:

Schmitz, Schiltb.
160, 5
(
Frankf.
1597
):
als sie ju hopffas schrey / wolte sie auch ein Arm darzu auffwerffen / vnnd einen sprung thun.
Rieder, St. Georg. Pred. (Hs. ˹
önalem.
,
1387
˺):
der bôm wirfet uf daz saffe in die schoͤssling.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
des zu ainem warzaichen wurf er ainen hantschuech auf.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Etlich [...] bewarten sich wider die stain [...], so in den lüften aufgeworfen ward.
Schlosser, H. v. Sachsenh.
5516
;
Dalby, Lex. Mhg Hunt.
1965, 247
;
Schmitt, Urkundenspr.
1936, 219
.
5.
›etw. aufrecht hinstellen‹; oft fungiert das Aufgestellte als Zeichen, dann: ›(ein Zeichen) aufstellen, sichtbar anbringen‹.
Phraseme:
das hasenbanier aufwerfen
(bei der Flucht steht der Schwanz des Hasen in die Höhe);
den schwanz aufwerfen
›sich aufblasen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1; vgl.  1.
Syntagmen:
das banier / banner
(oft),
die fane, den sper, liechter a.
;
aufgeworfenes segel.

Belegblock:

Schöpper (
Dortm.
1550
):
sich breit machen prangen auffschwellen schwantz vffwerffen den kam vffrichten.
Luther. Hl. Schrifft.
Jes. 5, 26
(
Wittenb.
1545
):
[der HERR] wird ein Panir auffwerffen ferne vnter den Heiden.
Pyritz, Minneburg
1418
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
Sie tuͤ in in gedenken varn | In zubrochem schif uff meres flut | Mitt uff geworfem segel gut.
Grimm, Weisth. (
1486
):
Wellicher ouch ein marchstein verruckte oder uffwürfe, [...] da sol der [...] das bessren einem vogt mit einem pfund unnd siben schilling Züricher pfening.
Kurz, Murner. Luth. Narr (
Straßb.
1522
):
Drü fenlin muͦß ich vff werffen.
Wer das [Der warheit baner] vff würfft in sunderheit, | Thuͦt wider eer, sein pflicht vnd eidt.
Luginbühl, Brennwalds Schweizer Chron.
2, 189, 21
(
halem.
,
1508
/
16
):
wurfend also das fenli von Zürich uff und zugend durch das Turgoͤw.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
ward des reichs banner in dem veld vor Gundelfingen aufgeworfen.
Brandstetter, Wigoleis
191, 35
(
Augsb.
1493
):
Dort verren hielt floreys mit aufgeworffem sper gegen jm.
6.
›etw. (Erdmaterialien o. ä.) aufwerfen, aufhäufen, (Wasser) aufwühlen, aufpeitschen‹; teils Verschiebung auf das entstehende Materialgebilde, dann: ›etw. (z. B. einen Hügel) aufwerfen, anlegen‹; oft mit Verschiebung auf das Raumgebilde, das durch die Entfernung des Erdmaterials entsteht oder affiziert wird, dann: ›etw. (z. B. einen Graben; effiziertes Obj.) aufwerfen, ausheben; etw. (z. B. wiederum einen Graben; affiziertes Obj.) säubern, freischaufeln‹.
Bedeutungsverwandte:
 6,  10; vgl.  1,  10.
Syntagmen:
den brunnen / hügel / graben, die grube / schanze / schütte / materie, das grab / wasser a.
;
aufgeworfener grabe / haufe.

Belegblock:

Lamprecht, Dt. Wirtschaftsl. Anm. 1 (
mosfrk.
,
1474
):
sol die gemeind die graben ufheben und aufwirfen zu allen dreien jaren.
Belkin u. a., Rösslin. Kreutterb.
90, 14
(
Frankf.
1535
):
Das lebendig silber wirt also genant / das es außfalt vnnd auffwirfft die materien in die es geworffen wirt.
Luther. Hl. Schrifft.
1. Makk. 11, 4
(
Wittenb.
1545
):
wie die todten Leichnam hin vnd her zerstrewet lagen / vnd Hügel auffgeworffen waren am wege / darunter man die Erschlagenen mit hauffen begraben hatte.
Loose, Tuchers Haushaltb. (
nürnb.
,
1515
):
nachdem der graben umb gemellten cholschlag eingerirn, hab ich gedachten Hofman geringß herumb wider aufwerffen angedingt.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
ist da ain tor gewesen und an yeglicher seitten ain auffgeworffer grab.
Gehring, Würt. Ländl. Rechtsqu.
3, 156, 9
(
schwäb.
,
1527
):
das alle anstosser vor denselben iren gütern söllend gut wörlich graben mit dem ertrich und wasen aufwerfen.
Pfeiffer, K. v. Megenberg. B. d. Nat. (
oobd.
,
1349
/
50
):
wenne aber si [wind] alsô vallent in daz mer, sô werfent si daz merwazzer auf.
wenn man die [prunnen] vegen wil und si wider auf wirft, sô sterbent oft die êrsten veger.
7.
›(die Augen) öffnen, aufschlagen, auf etw. richten; (den Kopf) anheben; (die Nasenlöcher) hochziehen, aufblähen‹.
Phraseme:
das maul, den rüssel aufwerfen
›große Reden führen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  1.

Belegblock:

Ziesemer, Gr. Ämterb.
589, 37
(
preuß.
,
1414
):
czwe pferde gesant ken Danczk, eyn groes und eyn swarcz mit uffgeworffen naselochern.
Hübner, Buch Daniel (
omd.
, Hs.
14.
/
A. 15. Jh.
):
Wirf uf dine ougen wit | Gutlichen uf dine stat.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
Do warf lantgrave Frederich das houpt uff unde sprach.
Luther, WA (
1531
):
sie werffen dargegen das maul noch auff und spotten unser in die nasen darzu.
Ders. Hl. Schrifft.
Sir. 12, 19
(
Wittenb.
1545
):
Seinen Kopff wird er [Feind] schütteln / vnd in die faust lachen / dein spotten / vnd das Maul auffwerffen.
Sachs (
Nürnb.
1542
):
Als ich [...] | Inn meym bett, mein augen aufwarff.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
Sy tet manigen seufzenden ruef mit aufgeworfnen augen in den himel.
Dietz, Wb. Luther .
8.
›jn. zu etw. wählen, jn. (auch: sich) erheben, jn. als etw. einsetzen, in eine bestimmte Position bringen, jn. erhöhen‹, teils neutral, teils mit negativer Nuance in Richtung auf Bruch der verfassungsrechtlichen und sozialen Verhältnisse.
Bedeutungsverwandte:
 1, (V.) 1,  14,  2,  3; vgl.  9,  10,  3,  4.
Gegensätze:
 5.
Syntagmen:
jn. a., sich a., einen got / keiser / könig / fürsten / hauptman / vorsteher, ein haupt a., jn. zum got / obersten, zu einem könig / hochmeister, für einen got / keiser / rector / heiligen a.
;
sich als gelert / heilig a.
;
aufgeworfener keiser / könig / bürgermeister.

Belegblock:

Chron. Magdeb. (
nrddt.
,
1565
/
6
):
hertzogen Albrechts [...] sohn, welchen sie zum obersten aufworfen.
Chron. Köln (
Köln
1499
):
dat zo der zit do Helius Pertinax doit geslagen was, worden dri keiser upgeworpen.
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
habt ir [...] pfenner vier vorstehir jerlich uffgewurffen in schyne.
Luther, WA (
1527
):
Sie versehen dye seelen, gehen mit predigen und mit beten umb, verschaffen doch auch, das der leib versorget werde, werffenn etlich menner auff, die da die guͤtter außtaylen.
Ders. Hl. Schrifft.
Neh. 9, 17
(
Wittenb.
1545
):
[vnser Veter] wurden halstarrig / vnd wurffen ein Heubt auff / das sie sich wendeten zu jrer dienstbarkeit in jrer vngedult.
Gille u. a., M. Beheim
124b, 215
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
daz leicht ain kint gebaren wer | [...] | daz man auff wurff und czu kung meht.
Goldammer, Paracelsus. B. d. Erk.
39, 28
(
obd.
, Hs.
n. 1570
):
also wirt euch auch beschehen / so jr werden aufwerffen / die euch furen.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, zu
1548
):
hat sich ain weber [...] ungehorsamlich aufgeworfen, den haufen des pövels an sich gehenckt.
Langmantel, Schiltb. Reiseb. (
oobd.
,
n. 1427
):
do wurff wir zwen hauptman unter uns auff.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
die haiden [...] ersluegen alle die kristen, die sich in dem land aufgeworfen hetten.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
da in die Ungern wider künig Peter zu einem künig aufgeworfen hetten.
Grothausmann, Stadtb. Karpfen
3, 14
(
mslow. inseldt.
,
1612
):
welchen die Windiśche Nation mit gewalt für ein Rectorem aufgeworffen.
9.
›sich erheben, sich empören; sich gegen jn. erheben, jm. entgegenstellen‹.
Phraseme:
einen bundschuh aufwerfen
›einen Aufstand anzetteln‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  10,  2,  4,  3.
Wortbildungen:
aufwerfung
2 (dazu bdv.: vgl.  2).

Belegblock:

Niewöhner, Teichner
620, 79
(Hs. ˹
moobd.
,
1469
˺):
also hebt sich wider pillen, | das sich lant und leut auf wurff | und er wol lawt und hilff bedurff.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
do warf sich auf ain grosser fürst in Hyspania genant Eundo.
Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
er wolt alles einnemen, was nur das kaisertum der Persier herehem in Europa het, dasselbig under sich bringen und sich wider die Persier aufwerfen.
Es warfen auch in Sicilien die aignen erkauften knecht ein pundschuech auf.
Wie sich künig Bernhart aufwarf wider seinen vetter.
10.
›jn. aufwiegeln, jn. zum Aufruhr veranlassen, anstiften‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.
2
 1.

Belegblock:

Turmair (
moobd.
,
1522
/
33
):
Das versmächt den heiligen vätern, den geistlichen zue Jerusalem, gar hart, wurfen die weltlichen obrikait wider die prediger auf.
Da understuenden sich etlich [...], nemlich Tiberius und Cajus Gracchi, gebrüeder, [...], wurfen die g’main wider das regiment auf.
11.
›etw. über Gebühr betonen, gewichten, aufbauschen, e. S. besondere Betonung, besonderen Nachdruck geben‹.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
weil der Bapst vnd die seinen, diesen spruch auffwerffen, vnd damit verteydingen wollen yhre gewallt.
wiewol unser leiden und Creutz nicht also sol auffgeworffen werden, das wir dadurch selig werden.
˹Wohl hierher: Rot
309
(
Augsb.
1571
):
Exaggerirn, Auffhauffen / auffwerffen als ein schantz [...]. Jtem ein ding groß vnd haͤfftig machen / hoch loben vnnd schelten.˺
12.
›etw. schaffen, bilden, erfinden; etw. gründen, gedeihen lassen (z. B. ein Reich)‹.
Bedeutungsverwandte:
(V.) 1, ; vgl.  8,  13.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
3, 141
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
hie sprechen ettlich leüt, es wer im lenczen, | da got die welt erschephet und auff warff.
Ebd.
30, 10
:
vil engel schone | Er [got] da peschuf, | [...] | vor disen warf er uf | Ein engel, der | hies Luciver.
Niewöhner, Teichner
393, 63
(Hs. ˹
moobd.
,
1360
/
70
˺):
ye wann ains
[Missetat]
nicht hilft drat, | so wirft er [teuffel] ye ein anders auf, | als dw schirmer tunt zu hauf.
Dietz, Wb. Luther .
13.
›etw. (Münzen) prägen, ausgeben, in Verkehr bringen‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  2.

Belegblock:

Chron. Nürnb. (
nobd.
,
1385
):
daz dieselben haller uffgeworffen werden uff den nehsten heiligen ostertag.
warf man dy haller auf ein pfunt fur ein guldein.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
E. 15. Jh.
/
A. 16. Jh.
):
1458 an sant Ulrichs abent, warf man hie ain neue müntz auff.
14.
›etw. (Minderwertiges aus etw. Höherwertigem) ausstoßen, abstoßen, absondern‹.
Bedeutungsverwandte:
vgl.  14.

Belegblock:

Gille u. a., M. Beheim
199, 141
(
nobd.
,
2. H. 15. Jh.
):
der wein von arbait lauter wirt, | wann er treber auf wirfft und girt.
15.
bedeutungsverwandt zu
2
 1;  3;  3.
16.
bedeutungsverwandt zu .