gesein,
V.,
unr.; Prät. (
gewas
) und Part. Prät. (in der Form
gesein
) schwach belegt; generell deutliches Überwiegen der Infinitivbelege.
1.
›bestehen, geben, existieren, leben‹.
Meist Texte religiösen und didaktischen Inhalts.
Bedeutungsverwandte:
vgl. (V.) 1.

Belegblock:

Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Die grozten an dem lute | Gotes als die starken | Propheten, patriarken, | Apostolen, merterere, | Swie vil der ie gewere | Von megeden, mannen, wiben.
Frantzen u. a., Kölner Schwankb. (
Köln
um 1490
):
Du bist eyn ernster man, | Dat du kanst sunder lachen gesijn, | So noitlichen wyr geclaffet hain.
Strauch, Par. anime int.
136, 4
(
thür.
,
14. Jh.
):
daz auch der lichame unsis herrin an vil stedin gesîn mac mit ein ander, daz ist auch fon der forwandelunge.
Jahr, H. v. Mügeln
1861
(
omd.
, Hs.
1463
):
got an mich [warheit] moͤchte nicht gesin, | des bin ich aller tugnde schrin.
Lauchert, Merswin (
els.
,
1352
/
70
):
ich [sv́nder] bekenne daz wol, das der mensche in der zit nv́t ane minnen mag gesin.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
2, 20
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
ein wis ane daz etwaz niht gesin enmag, alse die spise, dü ist notdürftige zuo der wandelunge menscheliches lebennes.
Wyss, Luz. Ostersp.
22
(
Luzern
1583
):
Allmechttiger Gott, Herr Jesu Christ, | Der du on anfang gsin vnd bist, | Himmell vnd erden beschaffen hast.
Jahr, a. a. O.
120
.
2.
›wo sein, sich wo aufhalten, wo verweilen; wo (z. B. bei einer Instanz) anwesend sein‹.
Syntagmen:
[wo], z. B.
in der einöde, da / hier, bei jm
. (z. B.
bei dem könig, bei der mutter, mit got, mit den leuten; bei dem gericht / grundbuch
)
sein
.

Belegblock:

Bergmann, Ambr. Liederb. (
Frankf.
1582
):
Ein megdlein fein, ist bey mir gesein, | heimlich an einem orte.
v. Liliencron, Dür. Chron. Rothe (
thür.
,
1421
):
Also her do eyne weile bey deme konige gewas unde das beste mit den seynen getedt, do [...].
seyne swestir were nu vort erlicher bey ir muthir unde bas, denn sie bey om geseyn mochte.
Palm, Veter Buoch (
schles.
, Hs.
E. 14.
/
A. 15. Jh.
):
vnd hete breste an sime liebe, da von er in samenunge noch in der einote nicht mochte gesin.
da von mac niemant mit gote vnd mit den lviten gesin.
Chron. Strassb. (
els.
,
A. 15. Jh.
):
do er uf sehs jor do gewas, do wart er in eime bade erslagen.
Kummer, Erlauer Sp. (
m/soobd.
,
1400
/
40
):
wol auf, Maria, volig mıͤr; | [...] | wıͤr muͤgen nicht lenger hie gesein.
Bischoff u. a., Steir. u. kärnt. Taid. (
m/soobd.
,
1494
):
ob aber ainer leibsnot oder anderer merklicher irrung halben selbs bei dem grundpuch nicht gesein mocht, soll er seinen allernachsten [...] senden.
3.
›wo sein, vorhanden sein, sich wo finden‹, im Unterschied zu 2 von sachlichen Bezugsgrößen gesagt.
Vorwiegend Texte der Mystik; älteres Frnhd.

Belegblock:

Strauch, Par. anime int.
102, 11
(
thür.
,
14. Jh.
):
were auch craft und wesin ein, so inmochte in der sele nicht uzfluzzis gesin. ez influzit nicht uz des ez nicht inne inhait.
Vetter, Pred. Taulers (
els.
,
E. 14. Jh.
):
dis ist der ewige Salomon, des stat enmag niergent gesin denne in dem friden.
Morgan u. a., Mhg. Transl. Summa
63, 8
(
schwäb.
,
14. Jh.
):
wie doch daz ist, daz ein grözer hitz möhte gesin in der dinge naturen, daz da ist ein hitz des fürs.
Ebd.
149, 12
:
dekein ding mag gesin an einer stat, da ez vor niht enwaz.
Pfaff, Tristrant (
Augsb.
1498
):
herr Tristrant [...]; der gedacht hin und wider, ob eynigerley in aller welt gesein moͤchte, das in fristen und helffen moͤcht.
4.
›so sein, in der Art gestaltet, bestimmt sein, aussehen, wie es das Prädikatsadjektiv oder ein funktional vergleichbarer textlicher Ausdruck angibt‹.
Phraseme:
wie koͤnte / möchte mir / uns bas gesein
›wie könnte es uns besser gehen?‹.

Belegblock:

Bergmann, Ambr. Liederb. (
Frankf.
1582
):
wie köndt und möcht mir bas gesein, | wenn sie mir thet den willen mein.
Froning, Alsf. Passionssp.
1814
(
ohess.
,
1501ff.
):
alles, das da lebet, | und yn den lufften swebet, | das mocht mer nyt ßo lieb gesynn | als du, ußerweltes frewlynn!
Ebd.
3193
:
Nu ßo, viel lieber Judas! | keynes kauffes ich nye froer gewas!
Opel, Spittendorf (
osächs.
,
um 1480
):
als [...] in unnszer stat Halle und fur eyn gemeyn bests unnszers stiffts, [...] und alle der, die guter im tale daselbst haben, nutcze, noit und bequem geseyn moge.
Karnein, Salm. u. Morolf
8, 2
(
srhfrk.
, Hs.
um 1470
):
Ein felle drug die kunigin, | die mochte besser nit gesin.
Pyritz, Minneburg
4774
(
nobd.
, Hs.
um 1400
):
wie mag ich so toreht gesin | Daz ich so gerne weste daz!
Sachs (
Nürnb.
1565
):
Und grübel nicht darinn, noch frag, | Wie das und jenes mög geseyn.
Päpke, Marienl. Wernher (
halem.
,
v. 1382
):
Was mochte glicher út gesin | Der hailigen drivaltekait, | Dri und ain in ewekait, | Als Got der vatter tet bekant | Durch sinen sun?
Primisser, Suchenwirt (
oobd.
,
2. H. 14. Jh.
):
Die Mynne sprach aus suezzem galm | „Vrow Er, mag dem also gesein?“
Winter, Nöst. Weist. (
moobd.
,
1540
):
wie der schad gesein möchte, kainen außgenomen, denselbigen schaden allen und ieden soll der lantrichter ablegen.
Bergmann, a. a. O. ;
Leman, Kulm. Recht ;
Eggers, Psalter
42, 26
;
Sappler, H. Kaufringer
26, 49
;
Schülke, Geistl. Gemahelsch.
813
.
Vgl. ferner s. v.  3.
5.
›etw. / j. sein, dessen Bestimmung / Funktion im Prädikatssubstantiv (Gleichsetzungsnominativ) genannt wird‹.
Syntagmen:
j. (ein) könig / meister / vogt / vormund / zeuge sein, j. js. jünger / richter sein, etw. unsin / js. wille, ein lehen, ein blutrunst sein
.

Belegblock:

Luther, WA (
1530
):
Daß kan ein grosser konig gesein, der der grosßen konigen darff alßo auff die kron greyffen.
Große, Schwabensp. (Hs. ˹
nd.
/
md.
,
um 1410
˺):
JZ ne mach neman vormundere noch voghet gesin, her si denne vuͦnf vnde zwenzich iar alt.
Froning, Alsf. Passionssp.
3108
(
ohess.
,
1501ff.
):
Herre, magk eß dyn wylle gesynn, | sage uns den vorredder dynn!
Leman, Kulm. Recht (
Thorn
1584
):
So en mag her nymandes richter gesyn. her habe sich denne dyrrer sache abe genomen.
Grosch u. a., Schöffenspr. Pössneck
188, 10
(
thür.
,
1474
):
ap dy wunde billich kamphwirdig addir slecht eyn blutrunst gesin.
Bechstein, M. v. Beheim. Evang. Lk. (
osächs.
,
1343
):
Wer zuͦ mir kummet und nicht hazzit sînen vatir [...] unde noch ouch sîne sêle, der mac mîn jungere nicht gesîn.
Sachs (
Nürnb.
1553
):
Wer mag nur die zart fraw gesein, | Die so brünstig begeret mein?
Sappler, H. Kaufringer
17, 152
(
schwäb.
, Hs.
1464
):
si fraugten da das fräwelein, | was götlich liebe möcht gesein.
Dirr, Münchner Stadtr. (
moobd.
,
1340
):
Wer zewch gesein muͤg. Man sol wizzen, wer zwech gesein mag oder nicht.
Baptist-Hlawatsch, U. v. Pottenst.
1011
(
moobd.
,
A. 15. Jh.
):
waz mag ain grözzer vnsinn gesein wenn so man spricht daz der nicht sey der ein sache ist aller dinge.
Leman, a. a. O. ;
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Dirr, Münchner Stadtr. .
Vgl. ferner s. v.
2
 5.
6.
›geschehen, verlaufen, sich ereignen, vollziehen, stattfinden; gelingen, zustandekommen‹.
Phraseme:
etw. kan / möchte (nicht) gesein
;
wie möchte mir bas gesein
o. ä. ›was könnte mir Besseres geschehen‹.
Bedeutungsverwandte:
 1, .

Belegblock:

Luther, WA (
1531
):
so wuͤrde es dennoch nichtsdestebesser im Tewtschen land stehen, Sonder viel ein groͤsser und schedlicher zwyspallt und krieg zwuͤschen yn werden, dann das mit den Papisten ummer gesein mag.
Es kan und will nicht anders gesein, den Gott spricht: den solt ihr alleine horen.
Chron. Köln (
rib.
,
15. Jh.
):
anno domini 1435 do was der kaldeste winter, der sint gotz geburte je gewas.
Froning, Alsf. Passionssp.
1681
(
ohess.
,
1501ff.
):
Mutter myn, liebe mutter myn, | wie mochte mer ummer baß gesynn?
Ebd.
6606
:
des wondert mich yn dem hercze myn, | wie das ummer mochte gesynn!
Bergmann, Ambr. Liederb. (
Frankf.
1582
):
der jüngling schreib jhr wider her, | wo das mit willen möcht gesein, | kein sach auff erden jm lieber wer.
Sachs (
Nürnb.
1535
):
Was wirdt nur das bedeuten? | Was für ein fest mag heut gesein?
Cirurgia H. Brunschwig (
Straßb.
[
1497
]):
Ob aber das nit wol gesin mag / so mach dz loch witter
[Entfernung eines Pfeiles aus einer Wunde].
Bauer, Geiler. Pred.
103, 27
(
Augsb.
1508
):
Dißs kummpt inen auß hochfart / daz ist der aller sorgklichest fall / der gesein mag.
Chron. Augsb. (
schwäb.
, Hs.
16. Jh.
):
die wirt wolten auch kaufen, nachdem als die stat ire wein außschenk; das mocht aber nit gesein.
Ebd. (zu
1552
):
wa es [...] one zerrüttung gemaines fridens [...] gesein könnde.
Spiller, Füetrer. Bay. Chron. (
moobd.
,
1478
/
81
):
und rieten, welicher ende es zu dem füeglichisten möchte gesein [ein gotzhaws zu stiften].
Gropper. Gegenw. ;
Froning, a. a. O.
3078
;
Opel, Spittendorf ;
v. Tscharner, Md. Marco Polo
74, 25
;
Pyritz, Minneburg
5322
;
7.
›möglich sein‹.
Syntagmen:
durchgehend in ansatzweise phras. Wendungen wie
etw. kan / mag
(oft im Konj.)
nicht gesein
, im Nebensatz:
weil / wen es gesein kan
o. ä.

Belegblock:

Luther, WA (
1529
):
ich wolt gerne vergeblich blut vergiessen und verlorne kriege verkomen, wo es ymer gesein mochte.
Helm, H. v. Hesler. Apok. (
nrddt.
,
14. Jh.
):
Got leset dan irbarmen sich | Swaz immer gesin mac mogelich.
Fischer, Brun v. Schoneb. (
md.
, Hs.
um 1400
):
die zwei ding [gute werk und gedanken] correlativa sint, | der einez an daz andir nicht gesin mag.
Tittmann, Schausp. 16. Jh. Krüger
42, 94
(o. O.
1580
):
Das wer auch wol der wille mein, | wann es nur könt und möcht gesein.
Kohler u. a., Peinl. GO Karls V. (o. O.
1532
):
damit jnn sollichen [...] missthatten die enndtlich vrtheill vnnd straffe mit dem wenigsten kostenn, als gesein khan, [...] vollnzogenn werden.
Sachs (
Nürnb.
1558
):
Weil es nit anderst kan gesein, | So ist es mir doch hertzlich schwer.
Jaspers, St. v. Landskron
4, 49
(
Augsb.
1484
):
wer nicht gelaubt den kristenliche͂ gelauben [...] der selbig gelaubt nicht jn got den herren [...] vnd das mag on sünd nicht gesein.
Chron. Augsb. (
schwäb.
,
E. 15. Jh.
):
er hett gar vil volcks mit im und maint mit gewalt zu ziehen, das mocht nit gesein.
Ebd. (zu
1548
):
und hielte Jr kay. mt. darfür, daß es nit gesein könnde, sie, die burgermaister, müssen dasselb
[protestantische Predigten]
gehört [...] haben, und daraus kommen müßte, daß sie, die burgermaister und rat, darab mer gefallen dan misfallen hetten.
Klein, Oswald
16, 49
(
oobd.
,
v. 1407
?):
mein höchster hort, so mag es laider nicht gesein, | in senden pein so müss ich von dir watten.
Mayer, Folz. Meisterl. ;
Baumann, Bauernkr. Rotenb. ;
Goedeke u. a., Liederb. ;
Vetter, Pred. Taulers ;
Buck, U. v. Richent. Chron. Conz. ;
Roth, E. v. Wildenberg .
8.
›von etw. handeln‹.

Belegblock:

Jahr, H. v. Mügeln
2159
(
omd.
, Hs.
1463
):
Theologia darnach sprach, | da sie an den Gelouben sach: | ,wovon mak din geticht gesin?‘